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Mittwoch, 27. Oktober 2010
Rechtfertigung
Die zentrale theologische Erkenntnis Martin Luthers von der Rechtfertigung des Sünders allein aus Gnaden ist heutzutage ausgesprochen schwer zu vermitteln. Was sind in heutiger Sprache und Vorstellungswelt Äquivalente zu „gerecht vor Gott“? Sinn des Lebens, gelingendes Leben, gutes Leben, Erlösung?
Martin Luthers Grundfrage „Wie bekomme ich einen gnädigen Gott?“ ist heute kaum noch verständlich. Es gibt keine Angst mehr vor Hölle und Verdammnis – wie auch umgekehrt der Glaube als etwas vielleicht innerweltlich Bedeutsames gesehen wird („Gläubige leben gesünder, bei ihnen heilen die Wunden schneller usw.“), aber welcher Gläubige misst heute dem Glauben auch über den Horizont des Todes hinaus noch wirkliche Bedeutung bei? Ist es nicht so, dass die meisten Christen in ihrem Glauben einem tiefgreifenden Paradigmenwechsel unterliegen, der das Jenseits, das Geschick nach dem Tode weitgehend ausblendet?
Dienstag, 26. Oktober 2010
Nicht nur in Deutschland, nicht nur vor fünfundvierzig Jahren...
Sonntags in der kleinen Stadt, wenn die Spinne Langeweile Fäden spinnt und ohne Eile giftig-grau die Wand hochkriecht, wenn's blank und frisch gebadet riecht, dann bringt mich keiner auf die Straße, und aus Angst und Ärger lasse ich mein rotes Barthaar stehn, lass den Tag vorübergehn, hock am Fenster, lese meine Zeitung, decke Bein mit Beine, seh, hör und rieche nebenbei das ganze Sonntagseinerlei. Tada-da-da-dam... Da treten sie zum Kirchgang an, Familienleittiere voran, Hütchen, Schühchen, Täschchen passend, ihre Männer unterfassend, die sie heimlich vorwärts schieben, weil die gern zu Hause blieben. Und dann kommen sie zurück mit dem gleichen bösen Blick, Hütchen, Schühchen, Täschchen passend, ihre Männer unterfassend, die sie heimlich heimwärts ziehn, daß sie nicht in Kneipen fliehn. Tada-da-da-dam... Wenn die Bratendüfte wehen, Jungfrauen den Kaplan umstehen, der so nette Witzchen macht, und wenn es dann so harmlos lacht, wenn auf allen Fensterbänken Pudding dampft, und aus den Schenken schallt das Lied vom Wiesengrund und daß am Bach ein Birklein stund, alle Glocken läuten mit, die ganze Stadt kriegt Appetit, das ist dann genau die Zeit, da frier ich vor Gemütlichkeit. Tada-da-da-dam... Da hockt die ganze Stadt und mampft, daß Bratenschweiß aus Fenstern dampft. Durch die fette Stille dringen Gaumenschnalzen, Schüsselklingen, Messer, die auf Knochen stoßen, und das Blubbern dicker Soßen. Hat nicht irgendwas geschrien? Jetzt nicht aus dem Fenster sehn, wo auf Hausvorgärtenmauern ausgefranste Krähen lauern. Was nur da geschrien hat? Ich werd so entsetzlich satt. Tada-da-da-dam... Wenn Zigarrenwolken schweben, aufgeblähte Nüstern beben, aus Musiktruhn Donauwellen plätschern, über Mägen quellen, hat die Luft sich angestaut, die ganze Stadt hockt und verdaut. Woher kam der laute Knall? Brach ein Flugzeug durch den Schall? Oder ob mit 'm Mal die Stadt ihr Bäuerchen gelassen hat? Die Luft riecht süß und säuerlich. Ich glaube, ich erbreche mich, Tada-da-da-dam... Dann geht's zu den Schlachtfeldstätten, um im Geiste mitzutreten, mitzuschießen, mitzustechen, sich für wochentags zu rächen, um im Chor Worte zu röhren, die beim Gottesdienst nur stören. Schinkenspeckgesichter lachen treuherzig, weil Knochen krachen werden. Ich verstopf die Ohren meiner Kinder. Traumverloren hocken auf den Stadtparkbänken Greise, die an Sedan denken. Tada-da-da-dam... Dann ist die Spaziergangstunde, durch die Stadt, zweimal die Runde. Hüte ziehen, spärlich nicken, wenn ein Chef kommt, tiefer bücken. Achtung, daß die Sahneballen dann nicht in den Rinnstein rollen. Kinder baumeln, ziehen Hände, man hat ihnen bunte, fremde Fliegen - Beine ausgefetzt - sorgsam an den Hals gesetzt, daß sie die Kinder beißen solln, wenn sie zum Bahndamm fliehen wolln. Tada-da-da-dam... Wenn zur Ruh die Glocken läuten, Kneipen nur ihr Licht vergeuden, wird's in Couchecken beschaulich. Das ist dann die Zeit, da trau ich mich hinaus, um nachzusehen, ob die Sterne richtig stehen, Abendstille überall. Bloß manchmal Lachen wie ein Windstoß über ein Mattscheibenspäßchen. Jeder schlürft noch rasch ein Gläschen und stöhnt über seinen Bauch und unsern kranken Nachbarn auch. Sonntags in der kleinen Stadt, sonntags in der deutschen Stadt. Franz-Josef Degenhardt |
Auch eine Jugenderinnerung
Ich möchte Weintrinker sein,
mit Kumpanen abends vor der Sonne sitzen
und von Dingen reden, die wir gleich verstehn,
harmlos und ganz einfach meinen Tag ausschwitzen
und nach Mädchen gucken, die vorübergehn.
Ich möchte Weintrinker sein.
Ich möchte Weintrinker sein,
und nicht immer diese hellen Schnäpse saufen,
nicht von Dingen reden, die nur mich angehn,
mir nicht für zwei Gläser Bier Verständnis kaufen,
nicht mit jenen streite, die am Tresen stehn.
Ich möchte Weintrinker sein,
bei´nem herben Roten oder leichten Weißen
um´ne Runde spielen, nach der keiner fragt,
ein paar Witze über den Verlierer reißen,
der ganz einfach nur darüber lacht.
Ich möchte Weintrinker sein,
nicht beim Schnaps um Zehntel Skat mit Hirschbock spielen,
wo man gierig Geld in seine Tasche wischt,
nicht dem nachbarn heimlich in die Karten schielen,
ihn nicht schlagen, wenn er sich zwei Asse mischt.
Ich möchte Weintrinker sein,
mit Kumpanen lachend ein paar Lieder singen,
die sich um Trinken, Mädchen und um Liebe drehn,
nebenbei ein bisschen reden von den Dingen,
die am tag in einer kleinen Stadt geschehn.
Ich möchte Weintrinker sein,
nicht ab Mitternacht "Frau-Wirtin-Verse" grölen,
kein Soldatenlied und nicht den "Tag des Herrn",
und nicht vom "Mitelabschnitt" irgendwas erzählen
und nichts von Hungerpest in Hongkong hör´n.
Ich möchte Weintrinker sein,
auf dem nachhauseweg wie Kinder darauf achten,
dass man beim Bürgersteig nicht auf die Ritzen tritt,
und im Bett dran denken, wie die Mädchen lachten,
und im Schlaf noch lachen über meinen Schritt.
Ich möchte Weintrinker sein.
Franz-Josef Degenhardt
mit Kumpanen abends vor der Sonne sitzen
und von Dingen reden, die wir gleich verstehn,
harmlos und ganz einfach meinen Tag ausschwitzen
und nach Mädchen gucken, die vorübergehn.
Ich möchte Weintrinker sein.
Ich möchte Weintrinker sein,
und nicht immer diese hellen Schnäpse saufen,
nicht von Dingen reden, die nur mich angehn,
mir nicht für zwei Gläser Bier Verständnis kaufen,
nicht mit jenen streite, die am Tresen stehn.
Ich möchte Weintrinker sein,
bei´nem herben Roten oder leichten Weißen
um´ne Runde spielen, nach der keiner fragt,
ein paar Witze über den Verlierer reißen,
der ganz einfach nur darüber lacht.
Ich möchte Weintrinker sein,
nicht beim Schnaps um Zehntel Skat mit Hirschbock spielen,
wo man gierig Geld in seine Tasche wischt,
nicht dem nachbarn heimlich in die Karten schielen,
ihn nicht schlagen, wenn er sich zwei Asse mischt.
Ich möchte Weintrinker sein,
mit Kumpanen lachend ein paar Lieder singen,
die sich um Trinken, Mädchen und um Liebe drehn,
nebenbei ein bisschen reden von den Dingen,
die am tag in einer kleinen Stadt geschehn.
Ich möchte Weintrinker sein,
nicht ab Mitternacht "Frau-Wirtin-Verse" grölen,
kein Soldatenlied und nicht den "Tag des Herrn",
und nicht vom "Mitelabschnitt" irgendwas erzählen
und nichts von Hungerpest in Hongkong hör´n.
Ich möchte Weintrinker sein,
auf dem nachhauseweg wie Kinder darauf achten,
dass man beim Bürgersteig nicht auf die Ritzen tritt,
und im Bett dran denken, wie die Mädchen lachten,
und im Schlaf noch lachen über meinen Schritt.
Ich möchte Weintrinker sein.
Franz-Josef Degenhardt
Samstag, 23. Oktober 2010
Auszehrung, Sinnleere
„In einer sich immer mehr säkularisierenden christlichen Gesellschaft wie der deutschen, in der Kirchen verfallen oder in Restaurants und andere ‚nützliche‘ Einrichtungen umgewidmet werden (im Sowjetkommunismus war dies Programm), herrscht ein verbreitetes Gefühl spiritueller Schwäche, Auszehrung, ja Sinnleere.“
Wolfgang Günter Lerch, Journalist und Orientalist, in der F.A.Z.
Wolfgang Günter Lerch, Journalist und Orientalist, in der F.A.Z.
Mittwoch, 20. Oktober 2010
Nicht zu viele Details!
"Die Zehn Gebote definieren, was gut und böse ist. Dass sie nach Jahrtausenden immer noch gültig sind, liegt daran, dass sie sich nicht in Details verzetteln." Michael Miersch in einem Kommentar
Montag, 11. Oktober 2010
Eine Krankheit, die man gerne hat
"Der Unternehmer Hans Staud ist das, was man einen waschechten Wiener nennt: halb Steirer, halb Wiener, mit tschechischen und ungarischen Wurzeln. Wien ist für ihn 'wie eine Krankheit, die man gerne hat. Wenn man im Ausland ist und nach ein, zwei Wochen zurückkommt, merkt man erst, was einem gefehlt hat'."
Aus dem Kurier
Aus dem Kurier
Sonntag, 10. Oktober 2010
Befristet
"Wir leben das Leben besser, wenn wir es so leben, wie es ist, nämlich befristet."
Peter Noll
Peter Noll
Gemeinde-Flow
Die Gemeinde frisst mich auf mit Haut und Haar. Gerade, dass eben noch Zeit zum Essen und Schlafen bleibt. Es ist einfach wunderbar, ein einziger Flow. (Vgl. Mihaly Csikszentmihaly: Das Flow-Erlebnis. Jenseits von Angst und Langeweile im Tun aufgehen. 8., unv. Aufl. [Übers., Beyond Boredom and Anxiety - The Experience of Play in Work and Games, 1975], Stuttgart: Klett, ISBN 3-608-95338-8)
Am besten gar nicht mehr wundern
Konfirmandenanmeldung: Worüber soll man sich mehr wundern, dass ein 13-Jähriger seine eigene Adresse nicht weiß oder dass ein anderer mit dem Wort "Anschrift" auf dem Formular nichts anzufangen weiß?
Sind Protestanten religionsfähig?
"Für den stark an wissenschaftlichen Diskursen orientierten Protestantismus stellt sich vor allem die Aufgabe, seine eigene Religionsfähigkeit zurückzugewinnen. Er mag am ehesten Intellektuelle mit westeuropäischen Bildungsstandards ansprechen. Aber es stellt sich insgesamt die Frage, wieweit er Rationalität zu seinem Markenzeichen machen will. Überspitzt möchte ich formulieren: Die Menschen sind religiös empfänglich wie eh und je. Aber will die evangelische Kirche es sein? Auf dem emotional-spirituellen Brachland gewinnen, durch die überstarke intellektuelle Orientierung der Kirche, ungebremst spirituell-emotional orientierte Religionsvertreter an Boden."
Sabine Bobert: Bestattungskultur aus protestantischer Sicht, in: Klaus Grünwaldt/Udo Hahn (Hg.): Vom christlichen Umgang mit dem Tod. Beiträge zur Trauerbegleitung und Bestattungskultur, © Lutherisches Kirchenamt, Hannover 2004, 2., verb. Auflage 2005, S. 79.
Sabine Bobert: Bestattungskultur aus protestantischer Sicht, in: Klaus Grünwaldt/Udo Hahn (Hg.): Vom christlichen Umgang mit dem Tod. Beiträge zur Trauerbegleitung und Bestattungskultur, © Lutherisches Kirchenamt, Hannover 2004, 2., verb. Auflage 2005, S. 79.
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